Die Transformation traditionaler in moderne Gesellschaften - inzwischen ein Prozeß nicht nur in der westlichen Welt, sondern ein weltweiter Vorgang - erzeugt unausweichlich eine Vielzahl von unterschiedlichen Identitäten und Interessen. Gesellschaften zerklüften sich, im Grenzfall versinken sie in Bürgerkriegen: Koexistenz wird deshalb zur Kernforderung zivilisierten Zusammenlebens innerhalb von Gesellschaften und zwischen ihnen; sie wäre das Ergebnis eines kollektiven Lernprozesses wider Willen. Denn politisierte Identitäten und Interessen sind in zerklüfteten Gesellschaften nicht auf Koexistenz, sondern auf hegemoniale Machtansprüche ausgelegt: Intoleranz ist in solchem Zusammenhang ursprünglicher als Toleranz. Da diese Problematik eine moderne ist, findet sie sich in den großen traditionalen Kulturen der Welt nicht thematisiert: Die Erfordernisse der sich modernisierenden Gesellschaften stehen im Widerstreit zu Orientierungen traditionaler Kultur. Modernisierungsprozesse führen folglich zu tiefgreifenden Kulturkonflikten im jeweils eigenen Umfeld. Der beste Beleg hierfür ist die westliche Welt selbst, die erst als Ergebnis eines langwierigen Zivilisierungsprozesses Koexistenz als eine Leitperspektive zu begreifen gelernt hat. Die einst nur europäische Problemlage ist inzwischen eine weltweite geworden.
Modernisierungserfordernisse versus traditionale Kulturüberlieferungen: Dieser Konflikt ist weit grundlegender, als es die These vom »Zusammenprall der Zivilisationen« suggeriert, zumal in dieser These fälschlicherweise unverrückbare Kulturprofile des Westens und anderer Kulturen unterstellt werden. In Wirklichkeit liegen die großen Kulturen der Welt vor allem mit sich selbst im Konflikt.
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