Oben, auf der Mastspitze, im Ausguck sitzen die Kolumnenschreiber. Karten auf den Knien studieren sie Untiefen, Küstenlinien und Fahrtrinnen. Manchmal, wenn sie in Verlegenheit kommen, bedienen sie sich der Hilfe sozialwissenschaftlich versierter Geographen, die ihnen die fehlenden Stichworte zurufen. Die »formierte Gesellschaft« war ein solches Stickwort in den sechziger, »Unregierbarkeit« und »Wertewandel« bestimmten die siebziger Jahre. Es gibt Anzeichen dafür, daß dieses Jahrzehnt das des »Neokonservatismus« ist.
Der vorliegende Essay geht davon aus, daß nicht das Wort »Neokonservatismus«, wohl aber das, was es objektiv bezeichnet, die politisch-intellektuelle Szenerie westlicher Gesellschaften noch bestimmen wird, wenn die tagespolitischen Umstände, unter denen es seine gegenwärtige Karriere antrat, längst in den Archiven der Zeitgeschichte verschwunden sind. Deshalb zeichnet er zunächst nach, wie die neokonservative sozialwissenschaftliche Intelligenz in den USA und der Bundesrepublik die zentralen politischen Diskurse »besetzt« hat. Der praktisch-politische Erfolg ihres semantischen Feldzuges in den siebziger Jahren liest sich wie eine Bestätigung von Gramscis Behauptung, daß die politische Macht der »kulturellen Hegemonie« auf dem Fuße folgt. Die ideologiepolitische Topographie wird im Licht der kritischen Theorie des Spätkapitalismus kritisiert. Anhand einer Reinterpretation der Begriffe »Kultur«, »Demokratie«, »Gleichheit«, »Wohlfahrt« und »Intelligenz« wird die These entfaltet, daß der konservative Bann über die gegenwärtige Politik nur durch eine neue Buchstabierung des Fortschritts gebrochen werden kann.
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