Der Naturalismus stellt einen der letzten weißen Flecken auf der epochengeschichtlichen Landkarte der spanischen Literatur dar. Bisher stand der Vermessung dieser Epoche vor allem der Verweis auf die idealistisch geprägte Ideengeschichte Spaniens, besonders den Krausismo, entgegen. Die neueren philosophiegeschichtlichen Forschungen ließen diese Argumentation jedoch zu einer nicht länger haltbaren Illusion werden, denn sie konnten mit dem Krausopositivismo ein philosophisches Gedankengebäude ausmachen, das sich positivistisch-naturwissenschaftlichen Inhalten und somit auch dem sich auf sie stützenden Naturalismus öffnete. Die Studie weist nach, daß der Krausopositivismo für die Literaturdebatten, Poetiken und auch die literarischen Werke des Naturalismus als zentrales ideengeschichtliches Bezugssystem fungierte. Er ist das Dispositiv, das eine strukturierte Analyse der naturalistischen Literatur in Spanien ermöglicht. Sie deckt auf, daß in den naturalistischen Texten nicht nur das komplexe Spiel mit intertextuellen Versatzstücken und die diskursiven Praktiken, sondern auch eine sehr moderne Psychologisierung der Figuren auf den Krausopositivismo und die ihn kennzeichnende eklektische Weltanschauung verweisen. Übereinstimmend ist sowohl die Grundstruktur dieser Philosophie als auch die der naturalistischen Literaturproduktion von dem Streben geprägt, ein ganzheitliches Menschenbild und ein idealistisch begründetes Schönheitsideal mit neuen positivistischen Positionen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu verbinden. Diese spezifischen Elemente zeigen die Existenz eines spanischen Naturalismus und lassen sich zu einem distinktiven Epochenbegriff verdichten, der eine klare Abgrenzung gegenüber dem spanischen Realismo und dem französischen Naturalisme ermöglicht.
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