In Adornos Minima Moralia gibt es, anders, als die meisten philosophischen Lektüren nahelegen, eine produktive moralphilosophische Einsicht zu entdecken, die auch unabhängig von dem Werk allgemein bedeutsam ist. Die Textanalysen und -deutungen des vorliegenden Kommentars versuchen, diese Einsicht zu bergen, und gehen dabei von zwei Thesen aus: zum einen, daß die Aphorismensammlung mittels eines bloß kultur- und gesellschaftskritischen Zugangs letztlich nicht erschlossen werden kann, und zum anderen, daß sie trotz des äußeren Anscheins eine Einheit bildet, die von dem Gestus der Minima Moralia gestiftet wird. Denn mit jedem Satz bedeuten die einzelnen Aphorismen: »So ist es.« Dieses »So ist es« kann jedoch nicht in einen Argumentationszusammenhang aufgelöst oder als begründeter Gedanke formuliert werden. Denn: Entweder man sieht etwas - oder man sieht es nicht. Wie sich mit den Minima Moralia der Ansatz einer Moralphilosophie entfalten läßt, in deren Mittelpunkt ein Sehen steht, das in eine Spannung zum Argument und zu dessen Rechtfertigung tritt, ist das Thema dieser Studie.
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