Ältere Literatur ist weit mehr als moderne in dem verwurzelt, was 'man weiß'. Mittelalterliche Erzählungen sind voll von Szenen, in denen es zum Problem wird, sicher zu bestimmen, wer und was einer ist, seine Identität. Wie und woran man einander erkennen sollte, ist für moderne Leser höchst befremdlich. Die Szenen setzen jedoch zeitgenössisch übliche kognitive Praktiken voraus, und sie arbeiten sich zugleich an der Vorstellung ab, dass das Äußere einer Person im Idealfall ihr Inneres repräsentiert. Auf der Basis zahlreicher mittelhochdeutscher Heldenepen und höfischer Romane rekonstruiert das Buch zum einen eine Systematik der Muster, die den literarischen Figurationen schwierigen Erkennens zugrunde liegen; zum anderen nutzt es diese Muster als zentrale Interpretamente von Einzeltextanalysen (v.a. zu Wolframs Willehalm, zum Wolfdietrich D, zum Tristan-Stoffkomplex und zum OEuvre Konrads von Würzburg). Gezeigt wird, welche Rolle sie im Bedeutungsaufbau der einzelnen Texte spielen, wie sie neben- und gegeneinandergestellt werden, wie ihr potentieller Problemgehalt radikal ausspekuliert wird - und wie so die soziale Semiotik der Adelsgesellschaft an ihre Grenzen geführt wird, ohne dass sich schon historisch spätere Alternativen abzeichneten.
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