Schuld ist eine Schlüsselkategorie freier Gesellschaften. Sie beruht auf der Anerkennung individueller Autonomie. Mit ihr wird ein persönlicher Vorwurf wegen einer Normverletzung begründet.
Die Prozeduren des "Schuldsprechens" verorten den Konflikt und die Überzeugungen der Akteure im Kontext der Wertevorstellungen einer Gesellschaft. Insofern kann die Schuldsemantik auf unterschiedliche Normbereiche bezogen werden. Wir können etwa von rechtlicher, moralischer oder religiöser Schuld reden.
Diese divergierenden Perspektiven verweisen darauf, dass mit einem Schuldvorwurf funktionale Deutungen, Interessen und Verarbeitungskulturen verbunden sind. Der moralische Tadel wegen einer Lüge, das Begehen einer Sünde wider den Heiligen Geist und die Feststellung eines strafbaren Unrechts wegen eines begangenen Mordes bringen die Diversifizierung und die vielfältigen Formen des "Schuldsprechens" zum Ausdruck.
Moderne Gesellschaften sind bestrebt, diese Diversifizierung mit dem komplexen Rollenreperoire der Akteure zu harmonisieren. Gleichzeitig beharren sie mit dem Verantwortungskonzept auf einer Idee der Folgenabschätzung, die mit ihrer Zukunftsorentierung über das traditionelle Schuldverständnis hinausgeht.
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