Die in Jean Pauls Erfolgsroman "Hesperus" (1795) publik gemachte Idee einer Zeit- und Raumgrenzen überwindenden "Simultanliebe" stammt ursprünglich aus seinem Briefwechsel und wird in der Folgezeit zum Modell zahlreicher Korrespondenzen im Jean-Paul-Kreis und über diesen hinaus. Briefe von und an Jean Paul finden sich als Musterbriefe in Anthologien bis weit ins 20. Jahrhundert. Ihre kulturgeschichtliche Bedeutung jenseits der biographisch-anthologischen Sphäre wurde jedoch erst in den vergangenen Jahren voll erschließbar, nicht zuletzt durch neuere Editionen.
Die Studie zur "Philologie der Intimität" reflektiert diese Erschließung, indem sie nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer philologischen Repräsentation der "Simultanliebe" in Briefen fragt. Die editorische Praxis wird damit zur Basis der Theoriebildung gemacht: Im Lichte ihrer Begründungsdiskurse um 1800 ist diese Editionspraxis immer schon Theorie gewesen. Dies wiederum führt auf den Entwurf einer "Theoretischen Philologie", die in der Diskussion über das Verhältnis von Literatur- und Kulturwissenschaft eine neue Position markiert.
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