Wissenschaft ist für alle modernen Gesellschaftssysteme eine »Produktivkraft«, sie ist ein schwer handhabbares - weil von anarchischen Individualisten durchsetztes - Machtinstrument und insoweit auch ein »Verfassungsfaktor«. Versteht man unter »Verfassung« in einem sehr weiten Sinn nicht nur die geschriebene oder ungeschriebene Verfassung, sondern das für das Gemeinwesen grundlegende Ensemble faktischer und politischer Bedingungen, innerhalb derer sich die regulierte Ausübung staatlicher Gewalt vollzieht, dann nimmt die »Wissenschaft« hierbei einen zentralen Rang ein. Dies gilt jedenfalls für die Neuzeit, für die Epoche des Buchdrucks, des entwickelten, säkularisierten Universitätswesens und des auf schriftliche Verwaltungs- und Justizakten gegründeten modernen Staates. Seit das komplexe System »Wissenschaft« die Grund- und Spezialausbildung der Bevölkerung leistet und seit sich die politischen und kulturellen Eliten durch »Ausbildung« legitimieren, ist die Wissenschaft ein »Verfassungsfaktor«. In diesem Sinne ist Pierangelo Schiera dem Phänomen nachgegangen, daß die »Deutsche Wissenschaft« des 19. Jahrhunderts von der Reform Wilhelm von Humboldts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine zentrale Rolle in der Verfassungsentwicklung des Landes gespielt hat.
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