Kollektive Identität ist zu einem aktuellen Thema geworden. Als nationale, kulturelle, regionale oder ethische Identität bestimmt diese Frage nicht nur die politische Rhetorik, sondern auch die Ziele alter und neuer sozialer Bewegungen, begründet politische Konflikte und territoriale Ansprüche, gibt Minderheiten das Recht auf Widerstand gegen Mehrheiten und fordert Solidarität.
Bernhard Giesen nähert sich dem Thema von zwei unterschiedlichen Ausgangspunkten. In seinen allgemeinen theoretischen Überlegungen entwirft er zunächst eine Typologie von Codierungen kollektiver Identität (primordiale, traditionalistische und universalistische Codes) und beschreibt deren situative Bedingungen. Anschließend skizziert er drei historische Szenarien, in denen Intellektuelle und ihr bürgerliches Publikum im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gesellschaftliche Identität entworfen haben. Dabei geht es um das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit in der französischen Aufklärung und der deutschen Romantik, um Historismus und Modernismus im wilhelminischen Kaiserreich sowie um die Entwicklung von Rassismus und Antisemitismus in Deutschland und Frankreich.
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