Ilse Aichingers Lyrik gehört eher zum postulierten als zum tatsächlichen literarischen Kanon: Knapp hundert der im Deutschen Literaturarchiv Marbach aufbewahrte Gedichte und Gedichtentwürfe sind noch unveröffentlicht, und für das mehrfach ausgezeichnete publizierte Werk fehlte bisher eine methodisch fundierte Überblicksstudie.
Der Band bietet Analysen aller gedruckten und ungedruckten Gedichte und Prosagedichte, Entwürfe und Vorstufen. Eine Kombination quantitativer Auswertungsmethoden mit genauer Textanalyse sowie die Aufschlüsslung von Vorstufen und Entwürfen nach textgenetischen Gesichtspunkten lassen die Charakteristika und Entwicklungslinien dieser Lyrik nachvollziehbar werden und bisher nicht gesehene Textbezüge aufscheinen. Erkennbar wird, wie bewusst Selektionsprozesse im Arbeitsprozess und in der Veröffentlichungspolitik stattgefunden haben. Textstruktur und Textsteuerung machen im Bezug aufeinander die poetischen Prinzipien sichtbar, die dieses lyrische Werk prägen.
Exkurse zum Prosagedicht Günter Eichs und zu den Parallelen im Hinblick auf Paul Celans Umgang mit biographischen Spuren verorten Aichingers Werk in seiner Zeit und eröffnen neue Ansätze zur Erforschung der Lyrikgeschichte nach 1945.
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