Was hat es eigentlich mit dem Menschsein auf sich? Worin besteht das spezifisch Humane in uns? - Das fragt sich Michel de Montaigne in seinen «Essais» immer von Neuem und unterhält sein Publikum mit Selbstgesprächen, Anekdoten, geistreichen Aperçus und Zitaten. Im Weinen und Lachen, im Lieben und Hassen, im süßen Nichtstun, im Rausch und im Sterben sucht er nach Aufklärung über die zentralen Grundtatsachen des Menschenlebens. Den Krieg hält er für ein Übel, das Streben nach Erkenntnis für unverzichtbar und innere Wahrhaftigkeit für eine Pflicht. Widersprüchlich und subjektiv wie das Leben selbst, gibt er in klarer Sprache Antworten, die bis heute zum Nachdenken anregen. Montaignes gedankenreicher Skeptizismus, sein heiterer Tiefsinn und seine Gedankenschärfe haben in vier Jahrhunderten nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Diese Neuausgabe der «Essais» enthält die deutsche Referenzübersetzung von Herbert Lüthy, kritisch durchgesehen und neu gesetzt.
Montaignes «Essais» sind von einem zutiefst humanen Gedanken durchdrungen: «Niemand ist davon frei, Dummheiten zu sagen. Das Unglück ist, sie gar feierlich vorzubringen.» Es ist ein erstaunliches Vermächtnis, das uns der Renaissance-Schriftsteller und -Philosoph hinterlassen hat, erstaunlich vor allem wegen seines hohen Gehalts an wahrem Leben. Nie zuvor hatte ein Autor in solch unmittelbarer Frische schreibend über sich nachgedacht, ohne Rücksicht auf konventionelle Formen und ohne Zugeständnisse an Leseerwartungen. «Ich habe mein Buch nicht mehr gemacht, als es mich gemacht hat, ein Buch vom Fleisch und Blut seines Verfassers», heißt es an einer Stelle. Mit den «Essais» schuf Montaigne eine neue, offene Form: den literarischen «Versuch». Getragen von der Freude am Zufälligen, verschränken sich hier auf originelle Weise fundierte Bildung und präzise Beobachtungen zu den Skurrilitäten des Alltags.
«Mit ihm würde ich es halten, wenn die Aufgabe gestellt wäre, es sich auf der Erde heimisch zu machen», urteilte Friedrich Nietzsche über das Buch.