Die Forschung hat über ihrem Interesse an der humanistischen Gelehrtenpoesie des 17. Jahrhunderts die vielfach häretische religiöse Dichtung der Barock-Mystik seit längerem zu Unrecht vernachlässigt. Dabei kommt dieser im Rahmen der frühneuzeitlichen Lyrik-Geschichte ein bedeutsamer Stellenwert zu, den der vorliegende Band im Epochen-Kontext des Konfessionalismus (vgl. Bd. 2) neu zu bestimmen sucht: In gelehrtem Rückgriff auf Traditionen außerchristlicher Religiosität, aber auch auf die 'Künste' der Magie und Alchimie macht sich die Phantasie des Barock-Mystikers das Göttliche im Medium der Poesie verfügbar. Dabei wird Christus nicht mehr nur als Seelen-Bräutigam, sondern auch als Schöpfungs-'Wort' Gottes bereits naturmystisch-pantheistisch erfahren. Indem sich die Vereinigung mit dem Numinosen als magisch inszenierter Vergottungsprozeß in einer vieldeutig-hermetischen Lyrik ereignet, heiligt diese auch sich selbst. Damit ästhetisiert und säkularisiert sie zugleich die christlich-konfessionelle Heilsaneignung 'von innen' und bildet somit das Pendant zur weltlich-humanistischen Gelehrtenpoesie, welche den Geltungsanspruch der kirchlichen Orthodoxien 'von außen' infragestellt. Humanismus und Mystik bereiten so gleichermaßen der Aufklärung den Boden.
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