Paolo Prodis klar und transparent geschriebenes Buch ist ein Glanzstück politischer Ideengeschichte und fächerübergreifender Gelehrsamkeit. Es bietet nicht nur einen fundierten historischen Überblick über die Entwicklung des Gerechtigkeitsgedankens, sondern liefert zugleich den geistesgeschichtlichen Hintergrund, vor dem sich die aktuellen Debatten um Gewissen und Gesetz in ihrer ganzen Problematik und Reichweite besser verstehen lassen.
Paolo Prodi entwirft ein eindrucksvolles und weitgespanntes Panorama der Gerechtigkeitsvorstellungen, das vom Alten Testament und der griechischen Antike bis in die Gegenwart reicht. Ausgangspunkt sind dabei die religiös geprägten Auffassungen von iustitia, nach denen Gerechtigkeit zwischen den Menschen und Gerechtigkeit Gottes eng miteinander verbunden sind. Ab dem 13. Jahrhundert kommt es jedoch allmählich zu einem Pluralismus der Rechtsordnungen (Kirchenrecht, Naturrecht, Römisches Recht ...) und der Gerichte. In der Folge treten das von verschiedenen konkurrierenden Instanzen gesetzte Recht und die Erfordernisse des nun individuell werdenden Gewissens auseinander. An die Stelle des allwissenden Gottes tritt mehr und mehr der allmächtige und omnipräsente Staat, der nun auch Gewissensfragen rechtlich zu regeln versucht. Und dieser Konflikt zwischen dem Gewissen des einzelnen und dem allgemeinen Gesetz der großen Institutionen bestimmt bis heute die Gerechtigkeitsproblematik, etwa in Fragen der Abtreibung, der Sterbehilfe oder der manipulierenden Eingriffe in die menschlichen Gene.
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