Philosoph der Restauration und Vater der Soziologie; gläubiger Christ und Ahnherr eines atheistischen Positivismus - diese Ambivalenz kennzeichnet die ebenso entscheidende wie wenig bekannte Rolle des Vicomte de Bonald in der Geschichte der Gesellschaftslehre. Zwar ging es dem Begründer des »Traditionalismus« vor allem um die Bewahrung der theologisch-metaphysischen Tradition; seine Sprachphilosophie, seine Theorie der Souveränität und der Legitimität zeugen davon. Im Ergebnis aber hob Bonald die alte Metaphysik radikaler auf, als die atheistischen Materialisten des achtzehnten Jahrhunderts es getan hatten; denn er machte Philosophie und Religion zu Funktionen der Gesellschaft.
So weit klafften Absicht und Wirkung bei diesem oft als erzkonservativ angesehenen Denker auseinander. Deshalb konnten sich auch so verschieden gerichtete Geister wie Lamennais, mit dessen tragischem Geschick die Anfänge einer »christlichen Demokratie« verbunden sind, und Charles Maurras auf Bonald berufen, der, von Comte herkommend, aus einer Verquickung von Positivismus und Katholizismus ein totalitäres System abzuleiten suchte.
Es war Charles Péguy, der dann als erster sah, daß der moderne intellektuelle Konservatismus einen radikaleren Bruch mit der abendländischen Tradition darstellte als die Französische Revolution und die Philosophie ihrer geistigen Wegbereiter. Ein Wortführer aus einer uns heute ferngerückten Zeit erweist sich durch all diese Tatsachen und Bezüge als überaus aktuell.
Spaemanns glänzend geschriebenes Buch erschien 1959 zum erstenmal und wird hier, gerade auch im Hinblick auf den Stand der Soziologie nach rund vierzig Jahren, wieder vorgelegt.
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