Der Chor war zentrales Element des antiken Theaters. In der Neuzeit stellte er für Dichter, Theatermacher und Publikum meist ein großes Hindernis bei der Rezeption antiker Stücke dar. Im Sprechtheater des 20. Jahrhunderts fand dieses fremde Theatermittel jedoch verstärkte Aufmerksamkeit.
In der vorliegenden Arbeit werden Probleme und Chancen des Chorgebrauchs in der Theaterpraxis des 20. Jahrhunderts erörtert. Ausgehend von einer formalen Definition des Chores in der griechischen Tragödie und Komödie und nach einem Überblick über den Umgang mit dem Chor im Theater der Neuzeit, wird in acht Kapiteln, in deren Mitte jeweils eine Inszenierung oder ein Drama stehen, eine Typologie des Theaterchores im zu Ende gehenden Jahrhundert entworfen - im Zentrum steht dabei das deutsche Theater. So behandelt der Autor am Beispiel Max Reinhardts den inzwischen höchst problematischen Massenchor, anhand von Vsevolod Meyerholds Inszenierung von Gogols »Revisor« erörtert er den komischen Chor, Peter Weiss' »Marat/Sade«-Drama wird als wichtiges Beispiel für einen spielerisch eingesetzten Chor verstanden. Im Theater der Gegenwart spielen, so die Beobachtung, der Chor bzw. chorische Formen bei Frank Castorf, Einar Schleef oder Christoph Marthaler eine zentrale und doch jeweils ganz unterschiedliche Rolle. Insgesamt zeigt sich, daß der Chor ein lebendiges, gegenwärtiges Theater auf vielfältige Weise zu bereichern vermag. Dabei stellen gelungene Chöre in Antikeninszenierungen weiterhin eher die Ausnahme dar. Gerade im Theater der 90er Jahre, beginnend jedoch schon bei Brechts flexiblem Umgang mit dem Chor, gibt es vielfältige Chorformen, die inhaltlich häufig in keiner Verbindung zur Antike mehr stehen.
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