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Nathaniel Hawthorne nimmt unter den Schriftstellern der Amerikanischen Renaissance eine umstrittene und oft verkannte Position ein. Seine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hat lange zu einer einseitigen Sichtweise auf sein Geschichtsbild geführt, das auf die moralische Lehre des neuenglischen Puritanismus reduziert wurde. In dieser Studie wird gezeigt, dass Hawthorne sein Verständnis der amerikanischen Identität nicht allein aus den ideologischen Lehren des Puritanismus entwickelt, sondern den Einfluss der europäischen Religions- und Kulturgeschichte auf die Formung der amerikanischen Nationalidentität als grundlegende Konstituente begreift.
Sein frühes Erzählwerk steht in der Tradition der puritanischen Conversion Narrative, die auf die Confessiones des Augustinus und Johannes Calvins Institutio Christianae Religionis zurückgeht. Hawthorne entwirft in seinen frühen Kurzgeschichten und in seinem Roman The Scarlet Letter die private katholische Beichte und das öffentliche puritanische Geständnis als kontrastive Religions- und Lebensauffassungen zwischen den Kulturräumen der Alten und der Neuen Welt. Das öffentliche Bekennen zur eigenen Schuld wird zum zentralen Element im Widerstreit zwischen Sündenerkenntnis und Heilserwartung. Hawthorne nutzt die allegorische Erzählform als narrative Strategie, um den individuellen Sündenkonflikt seiner puritanischen Figuren als kulturhistorische Auseinandersetzung zwischen den anglo-katholischen Traditionen Europas und dem puritanischen Dogma der Neuen Welt zu inszenieren. In der Rückbesinnung auf die europäischen Kulturtraditionen liegt für Hawthorne der Zugang zu einem neuen transkulturellen Geschichtsverständnis, in dem deutlich wird, wie das europäische Kulturerbe im Diskurs der amerikanischen Identitätsfindung zu verorten ist.