1327 hat Petrarca, wenn wir dem Dichter glauben dürfen, die schöne Laura zum ersten Mal erblickt. Um die schicksalhafte Liebe zu der Fernen, Unerreichbaren kreisen die Gedichte seines Canzoniere. Aus ihnen ging die neuzeitliche Lyrik in Europa hervor. Aber kann uns die Liebeslyrik des Dichters aus dem 14. Jahrhundert heute noch unmittelbar ansprechen?
Sie kann. Denn Petrarca ist nicht nur der unglücklich Liebende par excellence, sondern er hat auch die Widersprüchlichkeit der Liebe wie kein anderer in Worte gefaßt: Freiheitsbedürfnis und Bindung, Leid und Lust am Leiden. Und der »poeta laureatus«, der lorbeerentflammte Dichter, umwirbt noch eine andere Geliebte, die Dichtung selbst. Petrarcas Verse, die der Liebeslyrik eine ganz neue Sprache geschenkt haben, sind auch höchst mo derne Gedichte über das Wesen der Poesie.
Was wäre ein Sonett, was wäre eine Kanzone ohne Reim? Indem der Übersetzer Karlheinz Stierle sich in dieser Auswahl der Ordnung des Reims, wenn auch nicht sklavisch, fügt, wird er in einen spannungsreichen Dialog zwischen den Möglichkeiten seiner eigenen Sprache und dem Original gezogen. Durch die Zweisprachigkeit dieser Ausgabe hat der Leser die Möglichkeit, diesen Dialog nachzuvollziehen.
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