Im schlesischen Breslau (seit 1945 Wroclaw/Polen) lebte in der Zwischenkriegszeit die drittgrößte jüdische Gemeinde des Deutschen Reichs (nach Berlin und Frankfurt) mit etwa 24.000 Mitgliedern. Sie erlebten die Ausgrenzung aus dem städtischen Raum, Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten wie Jüdinnen und Juden in anderen deutschen Städten auch. Doch die NS-Zeit ist für Breslau wenig erforscht - weder in Polen noch in Deutschland wurde das Thema intensiver bearbeitet. Der Wechsel der staatlichen Zugehörigkeit der Stadt 1945, der "Kalte Krieg" und seine Folgen sowie die Sprachbarriere verhinderten dies lange Zeit.
In diesem Buch nehmen die Autorinnen und Autoren die Geschichte der Shoah in Breslau neu in den Blick. Das interdisziplinäre Team wählt dabei verschiedene Perspektiven und Kontexte, in denen Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung im städtischen Raum geschahen, und rekonstruiert Orte und Sphären jüdischen Lebens: Arbeit und Wohnen, Religion und Politik, Kunst und Kultur. Auch die Auswirkungen der Shoah im Rückblick - etwa auf den Umgang mit Friedhöfen, auf die Kartographie der Stadt, auf Erinnerungen an Breslau oder archivalische Quellen zur Shoah - werden thematisiert.
Die Texte lassen ein facettenreiches Bild der Topographie der Shoah in Breslau entstehen. Sie möchten dazu beitragen, die Erinnerung an die Breslauer Shoah-Opfer wach zu halten und zu weiteren Forschungen zu diesem Thema anzuregen. Mit dem Schwinden der letzten Zeitzeug*innen werden die (erhaltenen) historischen Gebäude noch mehr zu Trägern ihrer Geschichte(n) und damit auch zu Denkmälern im Stadtraum von heute, die Geschichte und das Erbe der Menschen erfahrbar machen. Neben substanziellen Beiträgen zu einzelnen historischen Orten verbindet die Publikation diese auch miteinander und bietet so eine neue Lesart der Textur der Stadt und des ,Kapitels Shoah' in Breslau.
Karten und zahlreiche Illustrationen ergänzen den Band.
Mit Beiträgen von Abraham Ascher, Annelies Augustyns, Ramona Bräu, Tim Buchen, Tamar Cohn Gazit, Katharina Friedla, Dariusz Gierczak, Anja Golebiowski, Monika Heinemann, Lisa Höhenleitner, Agnieszka Jablonska, Karolina Jara, Jerzy Kichler, Sabine E. Koesters Gensini, Vasco Kretschmann, Simona Leonardi, Daniel Ljunggren, Maria Luft, Hagen Markwardt, Johann Nicolai, Katrin Schmidt, Malgorzata Stolarska-Fronia, Hans-Ulrich Wagner, Tamara Wlodarczyk und mit einem Nachwort von Dieter J. Hecht.
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