Aristoteles zeigt im achten und neunten Buch der Nikomachischen Ethik die systematische Bedeutung der Freundschaft innerhalb des Strebens des Menschen nach seinem obersten Gut, der eudaimonia. Die Untersuchung der Freundschaft macht als längste Einzeluntersuchung innerhalb der Nikomachischen Ethik von ihrem Umfang her etwa ein Fünftel des Werkes aus. Dennoch haben die Ausführungen über die Freundschaft verglichen mit anderen Themen der Nikomachischen Ethik in der Geschichte der Kommentierung und der systematischen moralphilosophischen Diskussion weniger Beachtung gefunden. Es stellt sich die Frage, ob die geringere Auseinandersetzung mit dem für Aristoteles offensichtlich wichtigen Phänomen der Freundschaft nicht eine verkürzte Sicht seiner Ethik und Sozialphilosophie zur Folge hat.
Die Autorin macht es sich deswegen zur Aufgabe, den Bezug der Freundschaftsthematik zu anderen großen Fragestellungen der Nikomachischen Ethik zu klären. Sie zeigt, daß die Freundschaft ohne Rekurs auf Begriffe wie den der Handlung, der Tugend, des Charakters, der Gemeinschaft oder der Lust nicht verständlich ist. Gleichzeitig macht sie deutlich, daß die Nikomachische Ethik als Ganze ohne Kenntnis der Freundschaft nicht umfassend erläutert werden kann: Das Streben des Menschen nach eudaimonia kann ohne den Besitz von Freunden nicht gelingen. Das hier vorgelegte Buch leistet eine systematische Zusammenschau anscheinend disparater Themen der Nikomachischen Ethik, die der sozialen Dimension der aristotelischen Ethik ein neues Gewicht verleiht. Damit liefert dieses Buch nicht nur einen Beitrag zur Interpretation der Nikomachischen Ethik, sondern auch zur systematischen moralphilosophischen Diskussion.
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