Nach vorherrschender Meinung erzählt der Verfasser des Matthäusevangeliums eine Konfliktgeschichte, die über die narrative Ebene hinaus auch Umstände seiner gegenwärtigen Lage aufnimmt. Die matthäische Gemeinde befindet sich in einem heftigen Streit mit jüdischen religiösen Kräften der Umwelt, und das umso heftiger, weil das Bedürfnis nach theologischen und heilsgeschichtlichen Differenzierungen und Abgrenzungen im Prozess der religiösen Neuorientierung nach der Tempelzerstörung 70 n.Chr. groß geworden ist. Die angespannte soziale Lage ist vor allem - jenseits von 'Antijudaismen', die hier immer wieder vermutet wurden - für die oft als anstößig empfundene Sprache dieser Auseinandersetzung verantwortlich.
Die Gemeinde bemüht sich aber auch um einen intertextuellen Dialog mit ihrem kollektiven Gedächtnis, das in einem jüdischen und jesuanischen Boden verwurzelt ist, um die verschiedenen Überlieferungssträngen zu harmonisieren und sie für die neu entstandene Situation nützlich zu machen. Darum wird der soziale Konflikt zu einem bedeutenden Faktor in ihrer Identitätsbildung.
Romeo Popa kombiniert in seiner Studie exegetische Analysen mit sozialwissenschaftlichen Ansätze und Theorien. So gewinnt er ein präziseres Verständnis der komplexen Prozesse und erschließt neue Sachverhalte und Textzusammenhänge.
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