Die Dorpater Preisschrift des 19jährigen Adolf Harnack (1851-1930) zu dem Thema "Marcionis doctrina e Tertulliani adversus Marcionem libello eruatur et explicetur" (deutschsprachig abgefaßt und unter dem Titel "Marcion. Der moderne Gläubige des 2. Jahrhunderts, der erste Reformator" eingereicht) ist 1870 von der Theologischen Fakultät in Dorpat mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet und zur Veröffentlichung empfohlen worden. Das voluminöse Werk (476 Seiten) blieb damals gleichwohl unveröffentlicht. Durch Harnacks Leipziger Jahre zieht sich noch wie ein roter Faden die Idee einer Monographie zu Marcion aus Sinope, doch erst 50 Jahre später läßt er die große Monographie "Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott" erscheinen. In dem Spätwerk hat Harnack die Dorpater Jugendschrift noch einmal vollständig neu bearbeitet, von der nach seinen Worten "auch nicht ein Satz stehen geblieben ist" (Vorwort).
Das verschollen geglaubte Manuskript der Dorpater Preisschrift wurde überraschend in der Berliner Staatsbibliothek entdeckt und wird mit dieser kritischen Edition in transkribierter Form zugänglich gemacht. Zusätzlich zu dem Neufund werden in einem Anhang das Gutachten Moritz Baron von Engelhardts, das Dorpater Studienbelegbuch Harnacks sowie das Redemanuskript des späten Vortrags "Marcion. Der radikale Modernist des 2. Jahrh." (1923) ediert.
Die Dorpater Preisschrift ist nicht nur aufschlußreich für die Marcion-Interpretation und das historisch-theologische Denken des frühen Harnack, dessen Doppelbegabung als Geschichtsschreiber und Textphilologe sich bereits deutlich abzeichnet. Aufgrund der intensiv zu Rate gezogenen zeitgenössischen Literatur bietet sie auch Einblick in die ältere Marcion-Forschung des 19. Jh. und ermöglicht es, vor diesem Hintergrund die innovativen Impulse Harnacks für die weitere Marcion-Interpretation zu würdigen.
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