Der Komponist und Theatermacher Heiner Goebbels hat in den letzten Jahren auf seinen Reisen, bei zufälligen Begegnungen, Projekten und Recherchen immer wieder Aufnahmen von Stimmen gesammelt. Eigene, eigentümliche Stimmen, die ihn berührt, verstört, begeistert, befremdet haben. Es handelt sich um Stimmen aus ganz unterschiedlichen Kontexten, Klangräumen, musikalischen Traditionen und Sprachen, um volkstümliches Material, Rituale, Literatur, aufgenommen im Verlauf der letzten etwa hundert Jahre. Aus dieser phonographischen Sammlung in einem imaginären Notizbuch ist nun zweierlei geworden:
A House of Call als abendfüllendes Konzert für das Ensemble Modern Orchestra, in dem diese Stimmen oft zum ersten Mal auf einer Konzertbühne zu hören sind und den Ton angeben: Rufe, Aufrufe, Anrufungen, Beschwörungen, Gebete, Sprechakte, Gedichte, Lieder. Das Orchester präsentiert, unterstützt, begleitet sie, antwortet oder widerspricht ihnen - wie in einem säkularen "Responsorium".
A House of Call. Materialausgabe als Buch, das anhand zahlreicher Dokumente, Texte, Bilder und Quellen versucht, dem auf die Spur zu kommen, was die Stimmen auszeichnet. Etwa die Hälfte dieser Stimmen wurde mit historischen Phonographen auf Wachsmatrizen aufgenommen und ihre Entstehung ist oft ambivalent. Vielerlei Gründe mögen zu den Aufnahmen geführt haben: musikethnologische bzw. musik- und sprachwissenschaftliche Forschungen, soziologische oder anthropologische Interessen.
Die Musik von Heiner Goebbels ist eine direkte Antwort auf die Komplexität und Rauheit der Stimmen, ihre Ausstrahlung und die Geschichte dieser Aufnahmen. Das Buch diskutiert die heterogenen Kontexte ihrer Entstehung und geht z. B. der Frage nach, ob die Stimmen bei Konzerten oder unter fragwürdigen, beispielsweise kolonialen Bedingungen aufgenommen worden sind und was ihre Eigentümlichkeit ausmacht.
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